Aus Wien oder: die ungefährliche Gefährliche

Als ich gestern Abend so – an irgendeinem Ort in Deutschland auf irgendeiner Hotelterrasse den Blick über die Stadt schweifen ließ, gesellten sich periodisch Menschengruppen dazu – allesamt einem laufenden Seminar oder Schulung oder auch einer: “Wir blicken in Andacht auf unsere Boni zurück” Veranstaltung entsprungen, um sich zu unterhalten. Also, natürlich nicht einfach nur unterhalten, sondern man nutzte die Rauchpause dazu, eifrig über die anderen Teilnehmer herzuziehen, vom Betriebsrat zum Bereichsleiter, vom Innendienst zum Außendienst kam alles unter die Räder und wurde dort unten liegend mit Kraftausdrücken geschmückt.

Ich stand ein wenig abseits und bei allen Menschengruppen war zu beobachten, dass sie vorab darüber tuschelten, ob ich eventeull *gefährlich* sein könnte. (Es war sonst niemand auf der Terrasse, der hätte mithören können)
” Nein”, sagte dann meist jemand,” Sie gehört nicht dazu”.
“Woher kommen Sie ?” fragten manche rüber (vermutlich um sich zu vergewissern, dass das von ihnen Gesagte nicht an die falschen Ohren gelangt)

“Wien, ich komme aus Wien”, gab ich dann zurück.

Das war dann der Freifahrtschein.

Man wandte sich wieder den “eigenen Leuten” zu und weiter ging’s mit Schuldzuweisungen und “die ist ja wohl unmöglich, also in meiner Abteilung blablabla …” Ausführungen.

So nach zwei Zigarettenlängen verschwindet die Gruppe wieder so wie sie aufgetaucht ist und -
die nächste Gruppe betritt die Terrasse. (Alle von der gleichen Veranstaltung)

Und das Spiel beginnt von vorne.
Wieder kurzer Check: “Ist sie gefährlich ?”
“Nein” – (gut, dann können wir loslegen)

Es geht wieder um ähnliche Inhalte, “also, was die alles getrunken und daraufhin zu (..) gesagt hat, ist ja wohl das letzte” – nur die Namen der Personen, über die man sich echauffiert sind andere.

Nach ein paar Gruppen hab ich unfreiwillig einiges an Information gesammelt, mir auch ein Bild vom Unternehmen gemacht und so gedacht, dass ich da jetzt in kurzer Zeit eigentlich einiges an Zündstoff zugespielt bekommen habe, wo ein Unternehmensberater sicher viele Stunden und meetings brauchen würd’, um auch nur an die Hälfte der Interna ranzukommen, wenn er es überhaupt jemals erführe.

Interessanter Gedankengang der Tratscher: Sie ist ungefährlich, weil sie nicht dazugehört.

Solange das einer denkt, stimmt’s noch.
Wenn es hingegen viele denken, wird die neutrale Person außerhalb zum Wissensträger und bekommt auch einen Gesamtüberblick über die teils schrägen Abläufe in einer Firma.

Wenn ich jetzt CEO einer Firma wär, und mir Einblick in den gedanklichen *Unter*grund meiner Belegschaft verschaffen möchte, dann würd ich das genau so machen. Eine Person, die von weit weg kommt, einfach dazustellen. Fertig, mehr ist da nicht.

Da sieht man wieder, wie gefährlich Rauchen sein kann :grin:

Sylvia

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14 Antworten auf Aus Wien oder: die ungefährliche Gefährliche

  1. Erika sagt:

    “DER Balkon” – auf dem immer interessante Menschen stehen, manchmal aus Holland :mrgreen:

    Liebe Sylvia,
    viel Erfolg für HEUTE und MORGEN ;-)

  2. Vermehrt Nikotin das Tratschbedürfnis?
    Oder rauchen Leute nur, um eine Ausrede zum Tratschen zu haben?
    Das logische Denken scheint jedenfalls stark beeinträchtigt zu werden vom Nikotin. Der Gedankenablauf ist: “Sie sagt, sie gehört nicht dazu. Also gehört sie mit Sicherheit nicht dazu. Außerdem heißt das, sie wird nie im Leben dazugehören. Zudem ist sie aus Wien, wie die Mozartkugeln und die klassische Musik, also ist sie harmlos.”

    Warum nicht gleich: “Ich kenne sie nicht, also ist sie vertrauenswürdig und tut nichts.”

    “Reingehen und die Blicke genießen” wäre sicher ein ganz besonderes Erlebnis. Aber bitte, wenn Du das mal tust, sollte es außerdem mit versteckter Kamera gefilmt werden. Damit alle was davon haben. :twisted:

    • Sylvia sagt:

      Es gibt Situationen, da möchte man auch lieber nicht dazuge”hören”, tut dies aber augenblicklich trotzdem, weil man ja hört, was sie sagen.

  3. Sven sagt:

    Raucher wissen halt mehr. :razz:
    Rauchen mit anderen zusammen, ist halt immer Komminukation. An den Orten der Raucher, oft sind es disfunktionale Flächen, die nur zum zufälligem Zweck des Rauchens entstehen, entstehen, wie bei allen anderen disfunktionalen Treffpunkten, wie z.B ein Treppenhaus, die größte Möglichkeit, Tratsch zu hören und Tratsch weiterzugeben.

    • Sylvia sagt:

      Tja, ich find diese Veranstaltungen sowieso zum Auslassen.

      Ich find das Hotel ja schöner, wenn nicht viele Gäste da sind, aber das geht halt leider an der Idee eines Hotels vorbei :grin: , jedenfalls bringen diese aufeinmalzuhaufauftretenden Gäste eine unangenehme Energie rein (nach meinem Dafürhalten) , da entsteht so eine Durchzugsunruhe. Weil die halt da sind, weil sie da sein müssen. Und dafür ist der Ort eigentlich zu schade.

      Das hat eine andere Qualität als Urlauber, die eigens dorthin fahren, weil sie auch tatsächlich dort sein wollen.

      Und beim Rauchen auf der Terrasse kann es schon mal passieren, dass das business zum bissness mutiert. :mrgreen:

  4. theomix sagt:

    Rauch macht gefährlich. :mrgreen:

  5. Herrlich, Sylvia. :lol:
    Auch wenns gefährlich ist :lol: , nun weiß ich warum die Raucher die Raucherpause nie abwarten konnten. :mrgreen:

    Liebe Grüße,
    Martina

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