Erziehung bei Regen

Zu einem Arbeitsgespräch mußte ich kürzlich bei trübem Wetter auf die Pfaueninsel.
Mir macht trübes Wetter nichts aus; es fing zwar, kaum daß ich auf der Fähre stand, an zu grollen und zu regnen, aber die Pfaueninsel sieht bei jedem Wetter großartig aus!

Gegenüber von der Insel sah es so aus.

Auf der Fähre stehend, sah ich die Insel so.

Ich war bezaubert!

Gleichzeitig mit mir waren zwei Schulklassen an der Fähre angekommen. Die eine bestand aus Sechs- oder Siebenjährigen. Die beiden Erzieherinnen mahnten die Kinder freundlich, die Kapuzen aufzusetzen, und los ging es “über die Todeswasser der Havel”, wie sich ein kleiner Junge begeistert ausdrückte. Eine Stunde später sah ich die Kinder immer noch fröhlich-aufgeregt plaudernd von ihrem Inselspaziergang zurückkehren. Und die Erzieherinnen waren immer noch freundlich, mit einem deutlichen Lächeln in den Stimmen.

Die andere Schulklasse bestand aus Vierzehn- bis Fünfzehnjährigen. Die beiden Erzieher – ein Mann und eine Frau – hatten an der Haltestelle geflissentlich übersehen, daß einer der Jungen einem anderen eine Plastiktüte über den Kopf zog. Ich hatte dem Knaben gesagt, daß er dies gefälligst unterlassen solle, weil gefährlich, und auf seine Frage, was ich denn wolle, gesagt, ich sei Ersthelferin und müsse das nicht haben. (Es ist übrigens wahr, daß ich ziemlich scharf gesprochen habe. Ich bin nämlich gar nicht für ewige superpädagogische Sanftheit. Aber ich bin ja auch keine Erzieherin.) Nun waren sie schon halbwegs auf der Fähre, da fing es an, leicht zu gewittern. Und da beschlossen sie, nicht auf die Insel zu gehen, ließen sich das Fährgeld zurückgeben und gingen wieder.

Kleinen Kindern ist eine zauberhaft schöne Insel bei Regen und Donnergrollen zuzumuten. Großen nicht?

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4 Antworten auf Erziehung bei Regen

  1. theomix sagt:

    Ich glaube eher, die muten sich selbst nichts zu. Das pädagogische Personal darf an so einer Stelle auch mal resignieren. Bei pubertierenden Kindern ist immer die Frage, wo man Energie einsetzt. Erst recht, wenn die jungen Leute geballt auftreten…

  2. Sylvia sagt:

    Mutet fast mystisch an, die Insel.

    Die Kleinen werden vielleicht erst zum Pfau, die Großen sind es möglicherweise schon und sind auch des Pfauchens mächtig.

    Gewisse Landschaften sind ausdrucksvoller, wenn sie nicht in gleissendes Sonnenlicht getaucht sind …. Nebel von Avalon … und so …

  3. Mein Vater hat einst eine Exkursion über die Insel geführt. Es begann zu donnern, und mein Vater sagte, man müsse diese Insel im Grunde bei jedem Wetter erleben, um ihre verschiedenen Gesichter zu erfahren. Kaum hatte er das gesagt, schlug neben der Gruppe ein Blitz in einen Baum ein.
    Während mein Vater noch schockiert hinschaute, ob auch niemand verletzt sei, meinte einer aus der Gruppe:
    “Sperlich, Sie übertreiben.”

  4. Sylvia sagt:

    Man könnte den Blitz ja zum Geistesblitz umeuphemisieren.

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