Sprache halt – wessen Sprache ?

Guten Morgen !

Gestern hab ich ein Packerl bekommen. Von Claudia. Aber ich hab’s noch nicht aufgemacht, das heb ich mir für heute Abend auf.

Und weil ich weiß, dass die Sprache für Claudia – wie für viele andere Menschen natürlich auch – einer der Angelpunkte ist, um den ihre Welt sich dreht, hab ich heute eine Passage aus einem Programm ausgewählt, in der Gunkl mal so richtig, ….

… aber lest vielleicht selbst.

Kaffee und Tee nicht nur für den zweiten oder dritten Fall, sondern schlichtweg für alle Fälle stehen für euch bereit.

Man liest sich,
Sylvia

GRUNDSÄTZLICHE BETRACHTUNGEN

– anschaulich gemacht an kuriosen Einzelleistungen der Tücke des Alltags,
was als Programmtitel vermutlich ein bißchen zu lang ist, zumal darin eine, sei´n wir ´mal ehrlich, sehr unelegante Genitivkette enthalten ist.

Ich möchte nämlich eingangs erwähntes Unterfangen, mich mit Sprache zu befassen, ins Rennen um Ihre geschätzte Gunst werfen. Ich habe zur Sprache nämlich ein eigenes Verhältnis, eines nämlich, das man in medizinischen Fachzeitschriften vermutlich als manisch bezeichnen würde, aber das haben Sie vielleicht schon selbst heraus gefunden.

Und es gibt eine Reihe von Wörtern, zu denen habe ich mehr als ein Verhältnis, es gibt eine Reihe von Wörtern, zu denen habe ich eine Beziehung, eine reife, erwachsene Art von Beziehung, die auf Achtung und Respekt beruht, also nicht so eine Art von Beziehung, wie Sie aus gemeinsam bestrittenen Kämpfen hervorgeht, so eine Veteranenkumanei – “dem haben wir´s aber gegeben!”- Diese Wörter sind nicht Schwert und Schild in meinen rhetorischen Auseinandersetzungen, dafür sind sie mir zu schade und zu wichtig und auch zu wertvoll; Diese Wörter benütze ich nicht so einfach, wie man ein Nylonsackerl benützt, um etwas zu transportieren, weil es als Form eben gut genug ist, nein, diese Wörter lade ich förmlich ein, im Reigen meiner bescheidenen Formulierkunst eine ihrem semantischen Gehalt gemäße Stelle zu beziehen. Und Sie werden mir nachsehen, wenn ich jetzt keines dieser Wörter hier aus dem Tempel seiner Bedeutung hervorzerre, und hier vorführe wie einen zweiköpfigen Hund, es muß genügen, wenn Sie wissen, daß ich diese Beziehung zu diesen Wörtern eben habe.

Andere Wörter mag ich ganz einfach, ohne, daß daraus eine hochdramatische Herzensbindung erwüchse; die mag ich einfach so. Das Wort “Absichtserklärung” ist so ein Wort. dieses Wort bedeutet zwar nichts großartiges, aber niemand kann dieses Wort mit irgendwelchen Kunstgriffen aushebeln, woanders hinstellen, und es heißt dann was anderes. “Absichtserklärung” heißt immer und in jedem Zusammenhang “Absichtserklärung”, und niemand wird darüber einen Streit beginnen, wie dieses Wort zu verstehen ist. Das ist ein Vorzug, den andere Wörter eingebüßt haben.”Freiheit” ist so ein Wort. Nicht, daß die Freiheit keine feine Sache wäre, aber so sensible Begriffe muß man von Zeit zu Zeit überprüfen, ob sie noch dort stehen, wo man sie kennengelernt hat, und ob sie noch das heißen, was mit ihnen sagen will, sonst kann es passieren, daß eine politische Partei die Freiheit im Namen führt, und was sie eigentlich meint, ist “ausländerfrei”.

Eines noch liegt mir am Herzen, und das ist der Genitiv. Der tut mir ja leid. Genitiv. Ist bekannt? Der zweite Fall oder auch der besitzanzeigende Fall. – der Mundgeruch meines Nachbarn, es haben zwar alle ´was davon, aber grammatikalisch ist es seiner.- Mit dem Genitiv lassen sich nicht nur Besitzverhältnisse beschreiben, sondern auch wunderbare Genitivkonstruktionen erstellen. Sollten Sie einer solchen Sprachbastelei nicht mächtig sein, so ist das nichts, wessen Sie sich zu schämen hätten, niemand wird Sie darob der Mißachtung der Sprache zeihen. Das waren vier kleine Beispiele für Genitivkonstruktionen, und ich gebe zu, das klingt ein bißchen antiquiert und altmodisch. Aber ich finde, es klingt eben schön. Und hier beginnt das Drama des Genitivs. – er klingt so schön, – und vor allem so gescheit.

Manchmal – selten genug – aber manchmal sitzen im Fernsehen wirklich gescheite Menschen, die dann über Dinge reden, die für den normalen Zuseher zumindest misteriös sind – ein Moralphilosoph und ein Astrophysiker polemisieren über die Unwesenheit des Seins; wollen wir einmal annehmen, sie wissen, wovon sie sprechen – deutlicher Hinweis dafür: sie sind nicht im Hauptabendprogramm, wir können also annehmen, sie wissen, wovon sie sprechen, immer wieder aus diesen langen, langen Sätzen, das sind ja richtige Sprachprozessionen, in denen die reden, immer wieder aus diesen langen, langen Sätzen blitzt ein “dessen” auf, wessen sich der eine oder andere Geisteskombatant befleißigt. – Und das klingt dann immer sehr gescheit. Und es gibt Menschen, die mit gutem Grund nicht an diesen Diskussionen teilnehmen, die aber auch gerne so klug klingen wollen, wie die im Fernsehen, und die packen dann auch “dessen” in ihre Sätze; und in alkoholgeschwängerten Monologen – vornehmlich auf Wohnungsfesten – Welterklärungsmodelle anhand von Aromatherapien oder Thai-chi – zwischen Sangria und Dreiblatt hört man dann “Du, ich hab das Buch gelesen, das mußt du unbedingt lesen, das ist im zweiten Kapitel von einer Aussagekraft, dessen hab ich überhaupt nicht gepackt!” – In diesem an sich bedeutungshohlen Satz steckt dann in blinder Verzweiflung gewaltsam hineingerammt ein “dessen”, aus dieser rhetorischen Windbäckerei ragt als Mahnmal mißverstandener Bildungsdünkel ein “dessen”, zittert noch ein bißchen, weil es gar nicht weiß, wo es hingehört, weil es bar jedes Zusammenhangs gebraucht wurde, wessen es allerdings bedarf, bediente man sich eines “dessen” – das war jetzt zum Teil Konjunktiv, das machen wir im nächsten Programm ausführlicher – und wenn ich dann vor so einem sprachlichen Offenbarungseid stehe, denk´ ich mir:”Du armer, armer Genitiv, di beidln´s oba uandlich her!

Vermutlich keimt in Ihnen der Verdacht, daß ich nur deswegen so g´scheit daherred, weil ich Mängel meinerseits auf anderen Gebieten übertünchen oder zumindest kompensieren möchte, und ich gebe Ihnen da unumwunden recht,daß in meinem Leben das Wort über der Tat steht, hat nicht damit zu tun, daß mir die Tat zu minder ist,- ich bin ihrer einfach nicht fähig. Meine Fähigkeiten auf anderen Gebieten halten sich in erwiesenermaßen engen Grenzen. Es gibt ja zum Beispiel Menschen, die bewundere ich aufrichtig, die sind in der Lage, mit einem Lastwagen mit Anhänger durch eine Stadt zu fahren, ohne Sachschaden zu verursachen; Das ist eine Fertigkeit, die mir tiefsten Respekt abnötigt. Ich habe einmal versucht, ein Moped auszuparken und habe damit drei Tage lang die Lokalseiten gefüllt. Oder: Es gibt Menschen, die können kochen, die kochen etwas, und das kann man dann essen, für mich ein weit größeres Mysterium, als beispielsweise der Genitiv. Es gibt auch Menschen, die nehmen einen Schluck von einem Wein und wissen dann nicht nur Rebe, Lage und Jahrgang, nein, die sagen einem glatt auch, ob der Winzer und seit wann verheiratet ist. Meine önologischen Fähigkeiten erschöpfen sich darin, bei gutem Licht, Rot- von Weißwein zu unterscheiden, und über die Qualität eines Weines kann ich nur dahingehend urteilen, wie leid es mir tut, den nächsten Tag zu erleben. Auch Terpsichore, das ist die Muse des Tanzes, hat mich schmählich ungeküßt in diese Welt entlassen. Es gibt ja Menschen, und auch denen gilt mein uneingeschränkter, tief empfundener Neid, die können tanzen; die bewegen sich zu Musik, und es sieht gut aus, toll! Wohlmeinende Freunde sagen, ich tanze wie ein Opferstock, wenn er gerade aufgebrochen wird.

Üben Sie also ein wenig Nachsicht, wenn mir ab und an ein Oberlehrer heraushängt, aber ich habe eben viel zu kompensieren.

Dieser Beitrag wurde unter Gunkl abgelegt und mit den Tags , versehen. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort auf Sprache halt – wessen Sprache ?

  1. Claudia sagt:

    Des Gunkls Genitive sind meines Herzens innige Freude!
    Auch der Ankunft meines Packerls bin ich fröhlich.
    Sonst wars n harter Tach, wa.

Hinterlasse einen Kommentar zu Claudia Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>