Die Berliner Zeitung über Martin Sperlich – “als Mann der Tat eine Kraftnatur an Körper und Geist und ein Genie des Herzens”

Claudia Sperlich, seit kurzem Verlegerin und seit längerem Mitautorin auf Eigentliches.com hat ein Buch mit den Werken ihres Vaters Martin Sperlich herausgegeben.
“Im Verse wird das Schwere leicht” – ja, das könnte sein, dachte ich so bei mir, als ich den nun folgenden Artikel im Textarchiv der Berliner Zeitung gelesen und kühnerdings hierherkopiert habe.

Sylvia

Zum Tode des Berliner Denkmalpflegers Martin Sperlich
Helmut Börsch-Supan

Der Wiederaufbau des schwer beschädigten Schlosses Charlottenburg, einst Zeichen für Überlebenswillen und Geschichtsbewusstsein in Westberlin, gilt als das Verdienst von Margarete Kühn, aber sie hätte nur wenig ausrichten können, wenn ihr nicht 1956 in Martin Sperlich als Mann der Tat eine Kraftnatur an Körper und Geist und ein Genie des Herzens, zur Seite gestanden hätte. Als der 1919 in Darkehme (Ostpreußen) geborene Gastwirtssohn, Kriegsteilnehmer und -verwundeter 1969 ihr Nachfolger wurde, erlebte die Schlösserverwaltung ihre fruchtbarste und glücklichste Zeit, weil er es verstand, alle Mitarbeiter bis zum Schlossaufseher für ihren Dienst zu begeistern. Er selbst diente am hingebungsvollsten den Schlössern mit ihrem kostbaren Inhalt und ihren Gärten. Eitelkeit war ihm gänzlich fremd. Reibungsverluste wurden vermieden, und mit einem Minimum an personellem und finanziellem Aufwand wurde ein Maximum an Leistung erbracht. Begeisterung war der Treibstoff.

Diese Epoche endete jäh mit seiner Pensionierung 1984, denn das Milieu hatte sich mit dem Wegfall der äußeren Bedrohung gründlich gewandelt. Leitbilder seiner Art wurden nicht mehr benötigt. Seine offizielle Verabschiedung glich einer Beleidigung. Seine geistige Überlegenheit, die zugleich eine moralische war, vermochte seine vorgesetzte Behörde nur schwer zu ertragen. Vielleicht mehr noch als die Kunst war die Sprache sein Element. Sie gebot ihm Offenheit und Wahrhaftigkeit und ließ ihn die Phrase ebenso verachten wie die Intrige. Erstaunliche Literaturkenntnisse, rhetorische Brillanz, aber auch Witz, ja eine dichterische Gabe standen ihm zur Verfügung.

Als die wichtigste Aufbauarbeit in Charlottenburg geleistet war, wandte er sich der Gartendenkmalpflege zu und gewann auf diesem Feld internationales Ansehen. In Michael Seiler gewann er einen hoch begabten Mitstreiter. Ohne diesen Einsatz wären die Berliner Schlössergärten nicht so vorbildlich. Die Zusammenführung von Kunst und Natur im Gartenkunstwerk entsprach ganz seinem innersten Wesen und seiner Vorstellung von Kulturarbeit, die er auch nach der Pensionierung als Dienst an der Öffentlichkeit verstand. Die mitgliederstarke Pückler-Gesellschaft, deren Vorsitzender er bis zuletzt war, bot ihm nun das wichtigste Wirkungsfeld. Seit 1973 lehrte er die Wissenschaft der Gartenkunst an der Freien Universität, seit 1983 als Honorarprofessor. Martin Sperlich vermochte es, Menschen anzuziehen, und er war gern unter ihnen, nie über ihnen.

Er baute Königsschlösser wieder auf, war aber durch und durch Demokrat. Sein Freundeskreis war weit verzweigt. Die Zeitläufe mit ihren Brüchen und Katastrophen, die er durchleben musste, haben ihn gestärkt, dazu Schläge des Schicksals anderer Art. Als wolle es noch zuletzt den Starken auf die Probe stellen, hatte er fünf Monate lang mit schwersten körperlichen Leiden zu kämpfen. Jede Bitterkeit zu der er Ursache gehabt hätte, hat er abgewehrt. Öffentliche Ehrungen waren ihm gleichgültig. Umso mehr ist es geboten, die Substanz, die er mit seinem Leben geschaffen hat, zu bewahren. Leitbilder seiner Art werden mehr denn je benötigt.
Martin Sperlich ist am 26. Juni 2003 gestorben.

EMANUEL SCHARFENBERG Martin Sperlich.

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