Continuons

Ich hab da ein paar geniale Argumente für die friedliche Nutzung von Kernkraft gehört.

Das erste kam von einer Fachfrau. Ich hatte behauptet, gegen Halbwertszeiten kann man rein gar nichts machen, und erklärt: bei dem Plutonium, das man in Kernkraftwerken braucht, liegt die Halbwertszeit bei 24.000 Jahren, danach ist es immer noch mordsgefährlich, und in der Zeit hats mal wieder eine Eiszeit gegeben, und die tektonischen Platten haben sich verschoben, die Erde hat gebebt, vielleicht ist irgendwo ein neues Mittelgebirge entstanden oder ein altes weg, paar Gletscher sind über Tschernobyl oder Harrisburg gewandert – das ist nicht so eine sehr lustige Idee.

Jetzt das Gegenargument: Doch, klar kann man was machen, Halbwertszeiten kann man sehr wohl verringern.

Nun dachte ich erst, wenns keiner in irgendeinem Kernkraftwerk macht, dann gehts eben nicht.
Inzwischen weiß ich – weil ich einen Physiker gefragt habe: Doch, das geht schon. Zerfall kann man beschleunigen. Man ist dabei, im Labor herumzuprobieren damit, und hofft, daß in ungefähr vierzig Jahren die AKWs dahingehend aufgerüstet werden können, daß die Halbwertszeiten nur noch Stunden oder Minuten dauern. Wenn man viele Billionen Euro hätte, könnte man es sogar schon heute. Hat man aber nicht, und kann man also nicht.

Damit wäre also das erste Argument gegessen. Denn wenn die Biester einfach die nächsten vierzig Jahre lang wahnwitzig gefährlich sind und dann vielleicht nicht mehr, gehen aber nicht erst dann, sondern schon vor Ablauf der vierzig Jahre kaputt, hat die Menschheit halt Pech gehabt. Ebenso, wenn, wie in der Forschung üblich, es doch noch ein bißchen länger dauert, der GAU aber so lange nicht warten mag.

Das zweite Argument geht so:

Stimmt schon, Kernkraft ist nicht so richtig gut, aber jetzt haben wir sie mal, und da wäre es blöd, wenn wir sie nicht nutzen. Wenn wir nämlich jetzt die Kernkraftwerke ausschalten, strahlen sie noch so lange weiter, daß es eigentlich egal ist. Sie sind mörderisch gefährlich, ob sie nun laufen oder nicht laufen, und dann kann man sie ja auch gleich laufen lassen.

Das find ich schon bestechend. Da läßt sich eine ganz neue Auffassung von Moral ableiten: Wenn ich schon so richtig was Schlimmes angerichtet habe, was ich aus eigener Kraft nicht wieder geradegebogen bekomme, dann muß ich nicht versuchen, einen Teil des Schadens zu beheben, so gut es eben geht, sondern einfach so weitermachen wie bisher, mit den Zinsen der unterschlagenen Million wuchern, das Gift im Grundwasser verschweigen und die darüber gewachsenen Möhren feilbieten oder eben den Strom aus dem AKW weiter gewinnbringend verkaufen. Wenn die Leute meinetwegen in hundert Jahren noch Probleme haben, dann müssen sie auch in tausend Jahren nicht besser leben.

Continuons – machen wir weiter. Das ist das Schlußwort von Sartres Stück Huis Clos – Geschlossene Gesellschaft. Es wird in der Hölle gesprochen.

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16 Antworten auf Continuons

  1. Sylvia sagt:

    Aha, meine Vergangenheit holt mich ein. ;-)

    Ich selber hab ein ambivalentes Verhältnis zur Kernkraft. Schließlich war die Faszination der Teilchenphysik der Urimpuls technische Physik zu studieren.

    Mir gefällt, was du schreibst und auch die zweite Sichtweise hat natürlich *was*.
    Ich hab’s auf deinem Blog verfolgt, die Diskussion und gedacht: Ich sag jetzt lieber nix, weil das führt alles zu weit.

    Es vermischen sich hier unterschiedliche Themen, deswegen kommt’s dann auch gleich mal zu einem Streit.

    Ich seh die Argumente jetzt nicht sooo als Gegenargumente, sondern die stehen alle nebeneinander und es macht Sinn, sie einzeln zu betrachten.

    Die Themen, die ich da extrahieren kann, wären:

    1) Die Moral
    2) Sicherheit der Kernkraftwerke
    3) Entsorgung der Brennstäbe
    4) Machtverhältnisse
    5) Profit
    7) Umweltschutz
    achtens) Mitspracherecht der Bevölkerung

    Hab ich alle ?

    Wenn du die Themen so anschaust, was stößt dir am meisten auf ?

  2. Erika sagt:

    ich bin für sofortiges Abschalten !
    wir haben das Atomkraftwerk Biblis vor der Haustüre…………(10 km Luftlinie)
    diese Studie hatte mich auch aufgeschreckt , wir haben auch einen Fall in der Familie und in diesem Jahrgang gab es mehrere Kinder, die an Krebs erkrankt sind….

    http://www.ippnw.de/atomenergie/atom-gesundheit/artikel/32caa2ddc0/kinderkrebs-um-atomkraftwerke.html

    • Sylvia sagt:

      Geht es dir um die Atomenergie oder den Umgang damit ?

      • Erika sagt:

        wie damit umgegangen wird, ist erschreckend…..
        ich war auf einer Informationsverandtaltung vor längerer ZEit, da wurde diese Studie vorgestellt und auch , was alles verheimlicht wird …. und von der Profitgier der Betreiber….
        Ich kann es nicht beurteilen , ob es anders wäre, wenn anders damit umgegangen würde….. Gute Frage !!!

        Wie kann man von einer Sicherheit sprechen, die gar nicht vorhanden ist….

        • Sylvia sagt:

          Meinst du jetzt die Sicherheit im laufenden Betrieb oder die Sicherheit, wenn z.B. ein Erdbeben passiert ?
          Oder beides ?

          • Erika sagt:

            Solch schwere Erdbeben gibt es bei uns aller Wahrscheinlichkeit nicht, aber gegen einen Flugzeugabsturz sind sie auch nicht gesichert, die fliegen hier im Minutentakt. Auch für alte Kernkraftwerke müssten die Sicherheitsüberprüfungen erhöht werden. )Biblis gehört zu den älteren….
            Wir haben uns schon vor dem Erdbeben in Japan darüber aufgeregt……

            der Satz unserer Politiker “Unsere Atomkraftwerke sind sicher ” ist für mich schon lange nicht glaubwürdig….

          • Claudia sagt:

            Zu Erdbeben:
            Das Baseler Erdbeben legte die ganze Stadt Basel 1356 in Trümmer. Im Umkreis von 50-100 km von Basel gibt es fünf Kernkraftwerke.
            Angeblich kann ein vergleichbares Erdbeben nur einmal in 10.000 Jahren stattfinden. Findet es aber zwei mal in tausend Jahren statt und dann ist 19.000 Jahre Ruhe, so hat die Statistik Recht.
            Zu Flugzeugen:
            Ein Flugzeug stürzt niemals dort ab, wo es verunglückt – sondern, je nach Geschwindigkeit, erheblich viel weiter weg. (So ist vor einigen Jahren ein in Frankreich verunglückter Jet in Polen heruntergekommen.) Daher ist es Unfug, Kernkraftwerke (wie zahlreiche Gegner fordern) nur “nicht in Einflugschneisen” zu bauen. Ein gegen abstürzende Großflugzeuge unzureichend gesichertes AKW ist immer in Gefahr, gleich wo es steht.

          • Erika sagt:

            danke Claudia für die Ausführungen!
            eine noch schlimmere Vorstellung, wenn ein Atomkraftwerk Ziel eines Terror-Anschlages wäre…….

            P.S.
            ein ganz anderes Thema:
            Hattest Du Eigentlich schon Geburtstag??

          • Erika sagt:

            danke !
            also nachträglich alles Gute auch noch von mir :smile:
            ich hatte das mit dem Blumenpaket gelesen und nirgends einen Hinweis gefunden…..
            P.S. fast hätte ich es gelobt, dass das bessergeworden ist mit dem Öffnen mancher Blogs, aber …….
            jetzt hat es schon wieder gehangen

            jetzt ging es doch !!! Vielleicht wird das ja noch was, bei theomix ging es auch auf einmal wieder ganz von selbst……

            ich bleibe optimistisch, dann komm ich auch wieder mal vorbeigeschneit bzw. -gesonnt bei dem Frühlingswetter :-)

          • Claudia sagt:

            Erika, es gibt keine allgemeine Blogpflicht, weder passiv noch aktiv. Es werden bei Blogabstinenz (gleich aus welchen Gründen) weder Verwarnungen ausgesprochen noch Bußgelder erhoben.
            Allerdings freue ich mich immer über gute Kommentare. :mrgreen:

  3. Claudia sagt:

    Sicherheit, Entsorgung und Umweltschutz greifen ja ineinander; die kann ich nicht getrennt betrachten – auch dann nicht, wenn die Rede davon ist, daß Kernkraft immerhin nicht stinkt. Für mich stehen diese drei Themen, die eigentlich eines sind, ganz oben, gefolgt von dem moralischen Aspekt (Verantwortung der Nachwelt gegenüber). Mit diesem Bereich sind wiederum Machtverhältnisse, Profit und Mitspracherecht verbunden.
    Wenn ich sage, der Umweltschutz – die Ermöglichung von Leben – steht für mich über der Moral, ist das etwas ungenau. Ich bin aus moralischen Gründen für den Schutz der Umwelt, aber Leben an sich steht jenseits von moralischen Erwägungen, es “ist” einfach. Oder ist eben, nach der atomaren Verwüstug der Erde, nicht mehr.

  4. Sven sagt:

    Ich mag die Atomenergie nicht, weil ich sie für dumm halte.
    Das gesamte Leben, speist sich aus der Energie der Sonne ( einschließlich der fossilen Brennstoffe) , oder aus der Energie der Erdwärme unseres Planeten.
    Warum gehen wir nicht diesen Weg?

    Zudem. Stelle ich mir vor, die Ägypter hätten vor 5000 Jahren, eine solch giftige Substanz erfunden und eingelagert,….. was wüssten die nachfolgenden Generationen der Menschen heute davon? Wie wird es in 5000 Jahren sein ?? Oder in 10000 Jahren? Oder in 30000 Jahren ? Die kostspielige Entsorgung, die sich im Strompreis nur sehr gering widerspiegelt, wägt dies nicht mit ab.

    Abschalten.

    • Claudia sagt:

      Gutes Gedankenexperiment: Pharao hätte ein Kernkraftwerk gehabt. Die Archäologen, die im 19. und 20. Jh. in Ägypten gegraben haben, hätten plötzlich alle sonderbare Symptome gezeigt – Übelkeit, Appetitlosigkeit, Haarausfall – und wären dahingesiecht, ebenso sämtliche Leute, die mit bestimmten Exponaten in Berührung gekommen sind. Und fast alle hielten das für den “Fluch der Mumie”. :twisted:

  5. Sven sagt:

    Fluch der Atomkraft…in XXL Jahren.

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